unsere reiseroute nach afrika änderte sich in den monaten der vorbereitung gezwungenermassen etliche male. politische umstände in diversen afrikanischen gebieten zwangen uns dazu, unseren länderhorizont zu erweitern. beim reiseziel iran zögerten wir zunächst 😉 doch nun sind wir glücklich hier zu sein. jeder tag bringt neue begegnungen mit offenen und warmherzigen menschen.
es ist nicht möglich alles festzuhalten – einzelne episoden wollen wir euch jedoch nicht vorenthalten:
garmeh
im wüstendorf garmeh hat sich offenbar in windeseile herumgesprochen, dass oben an der süsswasserquelle zwei ausländer ihr lager aufgeschlagen haben. irgendetwas an uns scheint spannend zu sein. als stefan und ich dabei sind, das nachtessen vorzubereiten, spazieren immer wieder dorfbewohner vorbei. oft halten sie an, um einige worte, meist in farsi, mit uns zu wechseln. später lässt sich eine familie mit grossen säcken und einer vollbeladenen schubkarre im schlepptau direkt neben unserem tisch auf dem boden nieder. wir grüssen freundlich.
nun werden zaghaft und mit verkniffenem lächeln zahlreiche selbstgeflochtene körbe ausgepackt und direkt vor unseren füssen platziert. uns ist sofort klar, was das ziel dieser aktion ist. wir beschliessen, uns vorerst dumm zu stellen und abzuwarten, was passieren wird. sehr lange geschieht – nichts. ausser, dass uns neugierig beim essen zugeschaut wird.
da wir keine anstalten auf einen kauf machen, wird der junge mehrmals nach vorne bugsiert, was ihm jedoch peinlich ist. vermutlich soll er uns mit seinen verkaufskünsten überzeugen.
wir wollen gar nicht darüber nachdenken, wie viel mühe in dieser handarbeit steckt und wie reich wir in den augen dieser menschen sind. wir haben jedoch beim besten willen keinen bedarf für einen grossen korb und lassen es mit einem kleinen gut sein.
yazd
wir setzen uns nichtsahnend auf eine parkbank im zentrum von yazd. sofort gesellt sich abdull zu uns und beginnt enthusiastisch mit uns zu plaudern. stolz zeigt er zahlreiche fotos auf seinem veralteten nokia-handy. er betont mehrmals, dass er über 600 bilder mit touristen besitze. er liebe es, europäer kennen zu lernen und mit ihnen auf englisch zu sprechen.
das natel läutet und nach einem kurzen wortwechsel drückt er es mir direkt ans ohr: „my sister, my sister!“ lacht er. also bleibt mir nichts anderes übrig, als mich mit dieser wildfremden frauenstimme zu unterhalten. bevor sie weiss, wer ich genau bin, lädt sie mich mit sehr gebrochenem englisch aber voller freude zu sich nach hause ein. diese einladung lässt sich nicht so einfach abwimmeln. ich schaffe es dennoch – wenn wir alle einladungen annehmen würden, kämen wir kaum noch aus diesem land heraus.
abdull hat sich in der zwischenzeit voll und ganz stefan angenommen. alles was stefan erzählt, wird von ihm mit staunendem blick aufgesogen. letztendlich landen wir an diesem abend in einem der besten teehäuser von yazd und erfahren im lockeren austausch viel über abdulls alltag.
esfahan – what’s your job
zusammen mit unseren deutschen freunden mary und jan werden wir beharrlich von einem teppichhändler in dessen kleinen laden zu cay eingeladen. nach einer ausgedehnten und schweisstreibenden sightseeingtour durch esfahan schaffen wir es nicht, abzuwehren. zu verführerisch wirkt eine klimatisierte sitzgelegenheit.
wir versuchen dem händler klar zu machen, dass wir garantiert keinen teppich kaufen werden. er bleibt aber hart und versucht mit uns ins gespräch kommen. er stellt die an diesem tag bereits zu oft beantwortete frage: „where you from?“ gleich danach kommt die erkundigung über unseren beruf. jan und stefan erlauben sich spontan einen kleinen spass. aus dem pc-ingenieur wird ein „taxidriver“ und aus dem auto-ingenieur wird ein „garbageman“ (müllmann). der teppichhändler reagiert sogleich mit der üblichen bewunderung und meint mit aufrichtigem gesicht, dies seien aber interessante jobs.
mary und ich können uns kaum halten vor lachen.
einladungen von herzen?
oftmals ist es für uns schwierig zu unterscheiden, wann es sich um ehrliche gastfreundschaft oder um die typisch iranische verhaltensweise „tarof“ (eine art formalisierte höflichkeit) handelt.
einladungen wehren wir zuerst ab, denn erst dann merken wir, ob das angebot ernst gemeint ist oder nicht.
nach einem lockeren austausch mit drei iranern heisst es promt: „we would like to invite you to our home“. stefan und ich zögern. nach so vielen einladungen wäre diejenige für uns interessant, da alle drei ein wenig englisch sprechen und über spannende themen berichten. als wir dann nach mehrmaligem nachfragen einwilligen, kehrt plötzlich die stimmung. in farsi wird nervös diskutiert und telefoniert. mit einem breiten lächeln wird uns anschliessend klargemacht, dass wir bedauerlicherweise nicht mit nach hause kommen können: „my wife is not at home“.
kurios erscheint es uns auch, als wir zusammen mit unseren freunden mary und jan im restaurant vom nachbartisch zum tee eingeladen werden – doch plötzlich wird uns umständlich und mit entschuldigendem blick mitgeteilt, dass im restaurant soeben der tee ausgegangen sei.
wie aus einem kleinen hallo etwas ganz grosses wird
vor wochen lernten wir auf dem perlecamping in der südtürkei hajar und michi kennen. die iranerin und der deutsche waren mit dem tourenfahrrad aus dem iran richtung michi’s heimat süddeutschland unterwegs. sofort tauschten wir uns über das brennende thema iran aus. durch hajar’s und michi’s erzählungen wuchs unsere vorfreude umso mehr. noch am selben abend arrangierte hajar promt ein treffen mit ihrer familie in esfahan. wir machten grosse augen über so viel vertrauen und gastfreundschaft!
nun sind wir also hier im herzen irans und klingeln an die türe von hajars eltern. wir werden von nahid (hajar’s mutter) mit offenen armen empfangen und hereingebeten. sofort fühlen wir uns willkommen. es folgen tage mit wertvollem einblick in die familienkultur und es ist schön zu sehen, wie gross der zusammenhalt untereinander ist. wir werden auch gleich an zwei familienfeste mitgenommen. es wir viel erzählt, viel gefragt, viel gegessen („bochor bochor“, „iss, iss“), viel fotografiert und sehr viel gelacht. der unterhaltsame hubblebubble-nachmittag im park mit zahra und masoud sowie ihren freunden und die unübertreffbare party wird bestens in unserer erinnerung bleiben!
achtung polizei!
hier in esfahan ist es auch, als unser tucan in der straße vor dem haus nachts um 1:00 uhr bei der polizei für große aufmerksamkeit sorgt. es wird bei allen wohnungen geklingelt, bis wir letztlich als eigentümer gefunden werden. es geht um die schweizer nummernschilder an unserem fahrzeug. offenbar sind ab einem aufenthalt von mehr als 10 tagen iranische nummern notwendig. wir wissen dies und haben am grenzübertritt absichtlich eine kurze aufenthaltsdauer angegeben. die armen polizisten haben zum erstenmal in ihrem leben einen internationalen führerschein und ein „carnet de passage“ in ihren händen. entsprechend wissen sie nicht was zu tun ist. also fahre ich zusammen mit hamid, dem sohn der familie, im konvoi auf die örtliche polizeistation. hier angekommen sind wir die hauptattraktion. es wird gewitzelt und gescherzt, hamid übersetzt ab und zu und ich rede auch mal in berndeutsch auf die beamten ein. einer stellt sich als „soldier“ (soldat) vor, sofort lachen seine kollegen und meinen er sei doch nur der nachtwächter. nach zwei stunden und ohne weitere kosten sind wir zurück bei hajars eltern und plaudern noch kurz über die geschehnisse bevor alle müde ins bett fallen (behzad: „we’re so good moslems!“).
english class
meine quasi gastmutter nahid nimmt mich voller freude an der hand. heute abend findet der englischunterricht statt. sie möchte mich gerne ihren klassenkameraden vorstellen. ich bin natürlich sofort dabei und will mir die englischstunde mit iranischen touch nicht entgehen lassen.
im klimatisierten klassenzimmer angekommen, wähle ich geschickt den äussersten platz, ich möchte nicht auffallen. doch weit gefehlt. als mich nahid kurz vorstellt („that’s cris, my best friend from switzerland“), bittet mich der lehrer sogleich nach vorne. nun stehe ich vor der klasse und mich betrachten rund 20 staunende augenpaare. die nächste stunde verbringe ich damit, die fragen der schüler zu beantworten. es scheint alles interessant zu sein, was ich sage. die lieblingsthemen der jungen frauen belaufen sich überwiegend auf make up, schuhe, kleider, lieblingsessen und musik. die etwa fünf anwesenden jungs interessieren sich vermehrt für politische sowie berufliche themen. unser auto und die reiseroute löst ebenfalls sehr viele fragen aus. wie hoch mein einkommen sei, ob ich reich sei und warum in aller welt ich nach afrika wolle und nicht nach amerika? obwohl ich versuche, politischen und religiösen themen aus dem weg zu gehen, gelingt es mir nicht immer. es wird nichts ausgelassen und hartnäckig nachgehakt. so soll ich meine meinung über den islam, den hejab (kopftuch), alkohol, die iranische regierung sowie dessen bevölkerung kund tun. als einer der jungs aufsteht, den gestreckten arm nach vorne in die höhe streckt und fragt: „what do you think about hitler?“ weiss ich nicht, ob ich jetzt loslachen oder weinen soll. der lehrer nickt mir bejahend zu und meint ermutigend: „don’t hesitate, there’s no webcam“.
wenn ihr möchtet, kann ich auch noch erzählen, wie es war, als ich mit nahid zusammen ins gym ging 🙂
die letzten tage
das türkisfarbene wasser des persischen golfs strahlt.
was im voraus bereits völlig klar war, trifft bei ankunft in bandar abbas mit ganzer gewalt ein: es ist feucht und heiss. die menschen schleichen müde und mit schweissnassen tshirtabdrücken durch die gassen. ihre gesichter wirken durch die hitze leer und kraftlos.
„das geht gar nicht“ meint stefan ratlos und leicht entsetzt, als er aus dem auto steigt. ich blicke bestätigend zu ihm und weiss nicht, ob ich es lustig oder furchtbar finde. das atmen fällt mir schwer, ein heissluftföhn scheint mir ins gesicht zu blasen. die feuchtigkeit fühlt sich an wie seilspringen in skidress-vollmontur inklusive helm.
wir sind uns einig: die fähre von bandar abbas nach sharjah (dubai) stellt unser nächstes ziel dar.
was sich eigentlich ganz simpel anhört, entpuppt sich als mittelgrosse geduldsprobe.
die beschaffung der tickets einen tag vor abfahrt nimmt mehr als einen ganzen morgen in anspruch. es folgt ein 15-stundenprozedere im hafengelände von bandar abbas am abfahrtstag. da das carnet de passage auf stefans namen ausgestellt ist, ist er derjenige, der von schalter zu schalter gejagt wird. er schlägt sich tapfer. auf der fähre wird uns prompt gratis der klimatisierte crewaufenthaltsraum im oberdeck angeboten. nach einem solchen tag nehmen wir diesen luxus gerne an.
die zollabfertigung und das herauslösen des autos tags darauf in sharjah dauert dann nur noch schlappe vier stunden.
sie
ich erinnere mich an die wirklich tollen letzten vier wochen. die genialen begegnungen am kaspischen meer, in yazd und vor allem in esfahan lassen mich innerlich lächeln. diesen fleck erde zu bereisen war für mich etwas ganz besonderes und ich möchte nichts davon missen.
für mich ist das fass jedoch langsam voll. die zu befolgenden regeln sind nicht massiv – sie schränken mich jedoch täglich in verschiedenster weise subtil ein und wirken ständig etwas diskriminierend. es kostet mich kraft, dem stand zu halten. die pflicht, auch als einfache touristin das kopftuch zu tragen ist gut und recht. im auto und beim campen draussen in der natur befand ich mich jedoch ständig in der öffentlichkeit. wir konnten noch so abseits der dörfer übernachten: früher oder später tauchten immer interessierte iraner auf laut dröhnenden mopeds auf. also schnell hejab auf.
zu oft wurde mir (ohne dass ich politische oder religiöse themen ansprach) in gesprächen dargelegt, dass der auferlegte islam als schikane empfunden wird.
ich habe die freiheit, das land jederzeit zu verlassen. dies ist es, was mich von den meisten frauen hier unterscheidet. und genau diese tatsache ist es, die mich gleichzeitig auch traurig und betroffen macht.
er
greetings from absurdistan – der iran und seine menschen, eine unglaubliche erfahrung, auf die ich keinesfalls verzichten möchte. zeitgleich schüttle ich aber fast täglich den kopf über kleine episoden des täglichen lebens. der staat will alles kontrollieren und vieles verbieten, die menschen wiederum wissen für alle situationen eine umgehungsmöglichkeit oder schauspielern das vorgegebene spiel. vieles dreht sich dabei um den aufgezwungenen glauben, welcher bei vielen iranern in den eigenen vier wänden kaum gelebt wird. erst wer die möglichkeit hat, dies hautnah zu erleben, versteht die lokale bevölkerung und die wut auf die regierung zumindest ein wenig. ich kann mir beim besten willen nicht vorstellen, wie staatsführer ihre eigene bevölkerung dermaßen vor den kopf stoßen können. auch der krieg mit irak (1980-1988) und die andauernden sanktionen (seit 2009) der westlichen staaten haben die islamische republik in der eigenen entwicklung in der kürzeren vergangenheit weit zurück geworfen. dadurch wollen viele leute ins ausland auswandern. amerika, kanada, europa oder australien stehen hoch im kurs. für alle, die dies wollen, hoffe ich, dass es klappt, auch wenn ich weiß, dass es für keinen einzigen eine einfache lösung geben wird. vielen iranern ist nicht bewusst, dass gerade in mitteleuropa sehr hohe ansprüche an die arbeitnehmer gestellt werden und der honig nicht einfach von den bäumen fließt. mir wird aber auch so richtig bewusst, wie toll es ist einen ch-pass zu besitzen – er ist quasi unser passierschein in die welt. dass ich ausgerechnet hier neue besitzer von meinem bianchi-bike und tolle freunde gefunden habe ist zufall oder schicksal. zahra and masoud: i hope your dreams get true and we meet us again, anytime, anywhere.
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